Dr. Lukas Köhler

GoodNewsSunday

So! 

Für den Abschluss meiner GoodNewsWeek habe ich mir die härteste Nuss aufgehoben, die geknackt werden will, also gewissermaßen den Endgegner im Wettbewerb darum, wer die Welt in den schönsten Farben schlechtmalen kann: Die Bevölkerungsexplosion - das Horrorszenario der Weltuntergangsprediger (und damit natürlich auch ihr Verkaufsschlager). Das Narrativ des „Menschen als Schädling der Erde“, als „Krankheit des Planeten“ wird in folgendem „Witz“ pointiert, hier grafisch hammermäßig umgesetzt von Feierabend.de:

(Ich frage mich zwar, welcher Planet das gewesen sein soll, der auch schonmal „Homo Sapiens“ hatte - aber das nur am Rande.)

Der Hobby-Power-Pointer von Feierabend.de ist mit seiner menschenfeindlichen Haltung aber keineswegs alleine; misanthropische Aussagen sind weit verbreitet - vor allem im eher traditionell-grünen Milieu, in dem nicht selten religiös anmutende Vorstellungen von der „heiligen Mutter Natur“ herrschen, an der sich der „böse moderne Mensch“ vergehe und nur durch Buße und Askese Erlösung erlangen könne, indem er wieder „im Einklang mit der Natur“ lebe. Die Zahlen der Kindersterblichkeit und die über lange Zeit bedeutend geringere Lebenserwartung legt aber etwas anderes nahe: Wir Menschen haben nie wirklich im Einklang mit der Natur gelebt, sondern sind vor allem im Einklang mit der Natur gestorben.

Mit seinem Buchtitel „Die Menschheit schafft sich ab“, der mich persönlich stark an “Deutschland schafft sich ab“ erinnert, suggeriert Harald Lesch eine Bevölkerungsdichte, der ich gleich mal rechnerisch auf den Grund gehen möchte - denn wer rechnen kann, ist bekanntlich klar im Vorteil … Zugleich sei angemerkt, dass ich damit nicht alle einzelnen Aspekte des Buches ablehne, denn dafür kenne ich es zu schlecht - es geht mir ausschließlich um die suggestive Wirkung des Covers: 

Gehen wir mal davon aus, dass hier etwa zwei Menschen auf einem Quadratmeter stehen und so ziemlich jeder Flecken Erde von Menschen be- bzw. übervölkert ist, dann ergibt sich folgende Rechnung: Die Landfläche der Erde beträgt rund 149.430.000 km², also 149.430.000.000.000 m². Bei zwei Menschen pro Quadratmeter müsste die Population also aus 298.860.000.000.000 oder eben aus 298 Billionen und 860 Milliarden Menschen bestehen - das sind ziemlich genau 37357,5 mal so viele, wie es wirklich gibt! Wie viele Menschen in Realität auf einem Quadratmeter leben würden, lässt sich erahnen, wenn man folgende Frage mathematisch beantwortet: 

Wie viel Quadratmeter hätte jeder Mensch zur Verfügung, wenn alle derzeit lebenden Menschen in Deutschland wären? Nullkommanullnullnull… und so weiter? Falsch, es sind fast 46 Quadratmeter! Deutschland hat eine Landfläche von 357.386 Quadratkilometern, also 357.386.000.000 Quadratmeter, und wenn ich die durch gerundet 7,8 Milliarden teile ergibt das: 45,818. Auch dieses Bild ist unscharf und hypothetisch, aber es hilft mir bei der groben Vorstellung für die Besiedlung der Welt ungemein: Wenn alle Menschen in Deutschland wären und in gleichem Abstand zueinander ständen, hätte jeder etwa sieben Meter Abstand nach Norden, Süden, Osten und Westen zum nächsten Menschen. 

Noch einmal: Natürlich ist Leschs Cover nur symbolisch und wurde zudem vermutlich nicht von ihm, sondern vom Verlag gestaltet - das ist mir vollkommen klar, dennoch ist die Macht der Bilder nicht zu unterschätzen und die Botschaft könnte interpretiert werden als: ‚Das globale Boot ist voll, wir sind zu viele und wir können den Planeten nur retten, wenn wir weniger Menschen werden.‘

Diese Message transportiert auch der Comedian Dr. Eckhardt von Hirschhausen, der in einer Talkshow als „Unterstützer der Scientists for Future“ (so die Bauchbinde) sagte, der Mensch sei „der Krebs dieser Erde geworden“ - was ich nicht nur ethisch höchst problematisch, sondern auch wirklich schade finde, denn als Klimapolitiker weiß ich, dass die Scientists for Future mit sehr seriösen Zahlen arbeiten und keineswegs so gehässig argumentieren wie der Fernseharzt. 

Zurück zur Realität, und die schauen wir uns wieder mit Hilfe einer korrekten Grafik an: 

Sieht erst einmal übel aus, oder? Doch anhand dieser Grafik beschreibt Rosling einen der typischen Fehler bei der Missdeutung der Welt: die Fortschreibung von Graphen. Würden wir diese Kurve fortsetzen, hätten wir tatsächlich ein Problem - vorsichtig ausgedrückt. Aber wenn ich die heutige Wachstumskurve eines einjährigen Kindes fortschreiben würde, wäre es mit sieben Jahren etwa acht Meter groß und neun Tonnen schwer - oder so ähnlich. Um die Lage der menschlichen Population korrekt einzuschätzen ist hingegen eine andere Kurve viel wichtiger, nämlich die der Wachstumsrate, und da sieht die Welt schon ganz anders aus: 

Die blaue Linie stellt dabei eine Prognose dar, aber wenn es so weitergeht wie momentan, ergibt sich eine grafische Kombination der beiden Kurven, die so wichtig ist, dass ich sie zur Grafik des Tages küre:

Nach den Prognosen der UN und der Weltbank sinkt die Bevölkerungswachstumsrate wegen verbesserter Lebensbedingungen so stark, dass die Weltbevölkerung im Jahr 2100 ihr Maximum („Peak Population“) bei 11 Milliarden erreichen wird.

Natürlich gilt auch hier das Bonmot, nach dem Prognosen immer dann besonders schwierig sind, wenn sie die Zukunft betreffen; maßgebliche Faktoren können sich ändern und damit auch das Ergebnis beeinflussen. Aber die heutigen Zahlen geben eben keinen Anlass mehr dazu, von einer Bevölkerungsexplosion zu sprechen.

Das wiederum hat mit der globalen Geburtenrate zu tun, die ebenfalls stark gesunken ist:

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Klar, die höchst menschenfeindliche Ein-Kind-Politik Chinas hat ihren Teil dazu beigetragen - das ist sicher nicht der Weg, den der Rest der Welt kopieren sollte! Aber fragt doch mal, ganz abgesehen von den Ursachen dafür, in eurem Umfeld herum: Wie viele Kinder bekommt eine Frau im weltweiten Durchschnitt? Ich wette, die Antwort liegt deutlich höher als 2,5 - weil wir unser Weltbild zu selten aktualisieren.

Okay: 11 Milliarden sind viele Menschen und auch in diesem Bereich ist es mal wieder Afrika, das vom allgemeinen Fortschritt am geringsten profitiert:

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Dass dort noch viel Arbeit wartet, hat sich ja leider im Verlaufe der Woche vermehrt gezeigt - doch die Mär vom „unkontrollierten Bevölkerungswachstum“ ist widerlegt. Doch sprachliche Bilder von Menschen, die sich „wie die Karnickel vermehren“ sind einfach nicht mehr zutreffend! Und wenn man nun noch bedenkt, dass die Kindersterblichkeit über Jahrtausende stabil so hoch war, dass viel mehr Kinder geboren wurden, aber durchschnittlich nur zwei von ihnen überlebten und die Population nur dadurch über lange Zeit stabil geblieben ist, kann man angelehnt an die Worte von Johann Norberg sagen:

Wir Menschen vermehren uns nicht wie die Karnickel, sondern wir sterben nicht mehr wie die Fliegen - und das sind mal wieder echte Good News!

Bad News könnten es jedoch werden, wenn sich die Lebensbedingungen der Menschen wieder verschlechtern. Denn eines zeigt sich im Bereich der Populationsforschung sehr deutlich: Erst kommt der wirtschaftliche Aufschwung und dann gehen die Geburtenzahlen zurück - nicht andersherum! In der Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs (der wiederum Bildung, Aufklärung und Verhütung, Frauen in Berufen, bessere medizinische Versorgung usw. nach sich zieht) ist der Zeitraum, in dem Länder ihre Geburtsraten halbieren, ebenso heftig zurückgegangen: 

Dass die (teils panische) Angst vor der Bevölkerungsexplosion auf einem immensen Missverständnis der heutigen Welt beruht, erklärt Hans Rosling in seinem wirklich sehenswerten Film „Don’t Panic“ - eine wirklich lohnenswerte Stunde, aus der viele Menschen mit einem vollkommen neuen, korrigierten Blick auf die Welt gehen dürften:

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Zum Abschluss der GoodNewsWeek aber auch hier noch mein Bekenntnis zum Problembewusstsein: Unsere heutige Wirtschaftsweise, in der nicht nur viel zu viel CO2 emittiert, sondern auch alles so produziert wird, dass es früher oder später auf dem Müll landet, ist tatsächlich ein gigantisches Problem für den Planeten - da müssen wir nichts schönreden. Uns Menschen aber deshalb als Plage zu bezeichnen, als „Krebs der Erde“ ist menschenfeindlich, ignoriert die Zustände, aus denen wir kommen, und ändert an den Problemen, die tatsächlich bestehen, rein gar nichts. Wie wäre es denn, wenn wir stattdessen darüber nachdenken, wie wir unserer Rolle als Schädling entkommen können? Wie wir unsere Wirtschaft so umbauen können, dass Wertschöpfungsketten tatsächlich Werte schöpfen ohne dabei andere Werte zu zerstören? Dass die begrenzt vorhandenen Ressourcen smarter eingesetzt werden, indem wir Produkte von Anfang an so designen, dass ihre Bestandteile erhalten bleiben? Und warum denken wir eigentlich immer nur darüber nach, wie wir uns „neutral“ verhalten können, so als gäbe es uns nicht?

Ich bin nicht nur davon überzeugt, dass wir dieses Umdenken schaffen können, sondern habe auch eine grobe Vorstellung davon, wie wir den Weg dahin finden: Indem wir ökologisch gewünschtes Verhalten mit ökonomischen Vorteilen versehen. Was beim Klimaschutz als Emissionshandel funktioniert, kann in anderen Bereichen des Umweltschutzes vielleicht auch funktionieren - wenn auch im Detail natürlich auf anderem Wege. Warum bildet Plastikmüll ganze Kontinente in den Weltmeeren? Weil sein achtloses Wegwerfen keinen „Preis“ hat. Aus dem gleichen Grund bedienen wir uns nach Belieben an endlichen Ressourcen, holzen Wälder ab, vergiften Böden und Meere … Die Umwelt ist unbezahlbar, und genau deswegen sollten wir sie mit dem schärfsten Schwert beschützen, das uns zur Verfügung steht: mit den extrem zuverlässigen Kräften des Marktes. Indem wir der unbezahlbaren Umwelt einen Preis geben, schützen wir sie am besten vor Ausbeutung - und zugleich setzen wir damit das stärkste Potential des Menschen frei:

den Innovationsgeist. Wenn wir ihn entfesseln, können wir 11 Milliarden Menschen ernähren, können sie mit Waren und Energie versorgen und der Erde dabei noch nutzen. Mit guten Innovationen können wir guten Gewissens ein gutes Leben führen. 

Damit wünsche ich euch einen schönen Sonntag, 

Euer Lukas Köhler