Dr. Lukas Köhler

GoodNewsTuesday

Gestern habe ich euch gezeigt, dass die Anzahl der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag versterben, rasant abnimmt und zugleich die Lebenserwartung weltweit steigt. Heute werfe ich einen Blick auf ein weiteres Phänomen, das die Lebensqualität von Menschen maßgeblich beeinflusst: Frieden.

Und an der Stelle will ich zwei etwas kompliziertere Begriffe aufbringen, die ich in dieser GoodNewsWeek für wichtig halte: „kontraintuitiv“ und „Verfügbarkeitsheuristik“. Viele Menschen werden die Daten, die ich hier über Frieden aufzeige, als kontraintuitiv empfinden, weil sie ihrer Intuition zuwiderlaufen - oder anders gesagt: weil sie ihrer „gefühlten Wahrheit“ widersprechen. Diese „gefühlte Wahrheit“ wiederum ist das Resultat der Art und Weise, wie wir uns ein Urteil über den Zustand der Welt bilden: mittels verfügbarer Informationen. Den winzigen Teil der Welt, der uns direkt umgibt, können wir ganz gut einschätzen - und schon dabei unterlaufen uns bekanntlich große Fehler. Beim großen Rest jedoch sind wir vollends darauf angewiesen, die Informationen zusammenzusetzen, die uns zur Verfügung stehen. Die Verfügbarkeitsheuristik beschreibt spektrum.de als „verkürzende kognitive Operation, die zu Urteilsfehlern führt“ - weil wir mittels dieser Operation eben immer nur die Informationen heranziehen, die uns zur Verfügung stehen. In Kombination mit der Tatsache, dass sich schlechte Nachrichten, etwa von Krieg, Flucht und Terror eben besser verkaufen als gute Nachrichten, entsteht leicht der Eindruck, es gebe immer mehr Krieg, Flucht und Terror — dabei ist das genaue Gegenteil der Fall. 

Natürlich sind auch die vergleichsweise geringen Zahlen noch immer zu hoch; wo Leid herrscht, müssen wir die Ursachen dafür bekämpfen und das Leid verringern - doch genau das geschieht. Denn auch wenn wir noch keinen Idealzustand der Welt erreicht haben, sind wir so nah dran wie noch nur zuvor! Nun aber zu den Zahlen, angefangen beim Krieg: 

Über Jahrhunderte gehörte Krieg zum grausamen Alltag der Menschen. In den letzten 500 Jahren lag der prozentuale Anteil der Jahre, in denen sich Großmächte bekriegten, bei bis zu Einhundert! Heute hingegen klebt die Kurve an der x-Achse, liegt also nahezu bei Null — das zeigen Zahlen aus Steven Pinkers „Aufklärung jetzt“, die ourworldindata.org in dieser Grafik veranschaulicht hat: 

“(…) Da die Armeen immer mehr Soldaten mit besserer Ausbildung und Bewaffnung enthielten“ schreibt Pinker dazu, „wurden die Kriege nun auch tödlicher und kulminierten schließlich in den beiden kurzen, aber unfassbar zerstörerischen Weltkriegen. Erst nach dem zweiten gingen alle drei Kriegsparameter – Häufigkeit, Dauer und Tödlichkeit – im Gleichschritt zurück, und für die Welt begann die Periode des sogenannten Langen Friedens.“

Dank erfolgreicher diplomatischer Zusammenarbeit und intensivierter Handelsbeziehungen hält dieser „lange Frieden“ seitdem an. Ein Blick auf die Nachkriegszeit illustriert den Fortschritt der Welt sehr deutlich: die Opferzahlen kriegerischer Konflikte zeigen zwar heftige Ausschläge, sind aber heute so gering wie noch nie: 

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Big Picture Thinking

An dieser Grafik lässt sich auch ein weiteres Phänomen zeigen, das in der GoodNewsWeek wichtig ist: Je größer der Zeitraum ist, den wir betrachten, desto deutlicher zeigt sich der Fortschritt. Je näher wir hingegen „heranzoomen“, desto besser erkennen wir: Fortschritt ist nicht linear. Innerhalb der positiven Trends gibt es auch Rückschritte, etwa den starken Ausschlag des mittleren Osten im vergangenen Jahrzehnt. Doch wer etwa glaubt, „dass das syrische Blutbad den gesamten historischen Fortschritt der vorausgegangenen Jahrzehnte zunichte gemacht hätte“, schreibt Pinker, der vergesse die Opferzahlen des 20. Jahrhunderts — hier die furchtbare Realität:

 

1946-1954, Indochina: 500.000 Tote

1946-1948, Indien: 1.000.000 Tote

1946-1950, China: 1.000.000 Tote

1956-1972, Sudan: 500.000 Tote

1983-2002, Sudan: 1.000.000 Tote

1971-1978, Uganda: 500.000 Tote

1974-1991, Äthiopien: 750.000 Tote

1975-2002, Angola: 1.000.000 Tote

1981-1992, Mosambik: 500.000 Tote

seit 2011, Syrien: 500.000 Tote

 

Auch die Zahlen der Völkermorde lesen sich grausam: 

1965-1966, Indonesien: 700.000 Tote

1966-1975, China: 600.000 Tote

1965-1973, Burundi: 140.000 Tote

1971, Bangladesch: 1.700.000 Tote

1956-1972, Sudan: 500.000 Tote

1972-1979, Uganda: 170.000 Tote

1975-1979, Kambodscha: 2.500.000 Tote

1965-1975, Vietnam: 500.000 Tote

1992-1995, Bosnien: 225.000 Tote

1994, Ruanda: 700.000 Tote

2003-2008, Darfur: 373.000 Tote

(zitiert nach Steven Pinker: „Aufklärung jetzt“) 

Die Entwicklung der Zahlen finden sich in dieser Grafik: 

 

Vieles, aber nicht alles wird besser!

Nochmal: jeder einzelne Tote Mensch ist einer zu viel! Und genau deswegen ist es gut zu sehen, dass auch hier die Richtung stimmt: Immer weniger Menschen sterben bei kriegerischen Konflikten oder durch Völkermorde - auch wenn hier nicht unerwähnt bleiben darf, dass „alte Formen“ des Kriegs, also vor allem die Konflikte zwischen Großmächten und Weltkriege, „neuen Formen“ gewichen sind, also Bürgerkriegen, an denen teilweise auch andere Staaten beteiligt. Auch diese Konflikte fordern Opfer und ihre Verhinderung muss das Ziel internationaler Verhandlungen bleiben. Dennoch finde ich, dass weniger Opfer immer ein Fortschritt sind!

Etwas anders - und auch das muss Teil der GoodNewsWeek sein - verhält es sich mit den Zahlen der Menschen, die auf der Flucht sind. Hier gibt es zwar auch Verbesserungen, aber leider nur im Vergleich mit den großen Weltkriegen. Allein in Europa gab es durch den zweiten Weltkrieg schätzungsweise 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs sind die Zahlen rapide zurückgegangen - steigen seitdem aber leider kontinuierlich an, wie der untere Verlauf auf einer Grafik des UNHCR zeigt: 

(Im Original könnt ihr die Grafik besser betrachten.)

Um die GoodNewsWeek also zu komplettieren und das unfassbare Leid der Vertreibung zu lindern, sind noch große Anstrengungen nötig - hier hat die Weltgemeinschaft noch viel zu tun, und Solidarität mit und Hilfe für Flüchtlinge sind bitter nötig! 

Morgen widme ich mich einem Thema, dass ebenfalls als starker Indikator für das Wohlergehen von Menschen gilt: dem Hunger, der tatsächlich weltweit abnimmt. 

Bis morgen also, wenn es wieder heißt: good News, everyone!

Euer Lukas Köhler